Universität Würzburg – Didaktik der Mathematik – Campus Hubland Nord
Sucht man mit den Stichworten „Förderung Mädchen Mathematik“ in Google, erhält man ca. 2,78 Millionen Suchtreffer und es ist sofort auffällig, dass es sich um ein Thema handelt, das immer noch höchst kontrovers diskutiert wird. So finden sich – etwa in verschiedenen Zeitungstexten und Blog Ausführungen – immer wieder Klischees wie z.B. ,,Mädchen sind in Mathematik schlecht, dafür aber in Sprachen sehr gut“. Diese scheinen sich schon sehr früh festzusetzen und so zu einem entsprechenden Verhalten bei Heranwachsenden zu führen. Dabei zeigt sich aber (etwa in den PISA-Ergebnissen), dass Mädchen bei Mathematik-Leistungen keinesfalls schlechter als Jungen derselben Altersgruppe sind. Die Bedeutung von Frauen und Mädchen in Tech-Berufen zeigt sehr eindrucksvoll eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company.
Auch zeigt die PISA Recherche, dass es sich hinsichtlich dieser geschilderten Rollenverteilung um eine eher westeuropäische/s Einstellung/Phänomen handelt, wie sich aus den internationalen Vergleichstests herauslesen lässt. Hier schneiden Mädchen dann auch tatsächlich schlechter bei den Mathematiktestungen ab. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Gleichberechtigung beider Geschlechter auch im gesellschaftlichen Kontext bereits sehr gut ausgeprägt ist – wie z.B. in Finnland, Island, Norwegen oder Schweden. Ob diese unterschiedlichen Ergebnisse allerdings tatsächlich „nur“ auf das gesellschaftliche Rollenbild zurückzuführen sind, ist eine offene Frage. Gibt es nicht auch andere Einflussfaktoren, wie etwa den Mathematikunterricht an Schulen und die Art und Weise wie Mathematik dargestellt, präsentiert und gelernt wird?
Dieser Frage möchte man in diesem Projekt wissenschaftlich nachgehen und zumindest Teilantworten zu geben versuchen. Wie sind Leistungs- und Motivationslage von Mädchen in dem uns betreffenden Bereich durchzuführen, wenn folgende Situationen genauer betrachtet werden:
- besondere Berücksichtigung von Mädchen und Studentinnen bei Schülerprojekttagen
- besondere Berücksichtigung von Mädchen und Studentinnen im Mathematik-Labor der Universität Würzburg
- Diskussion und Analyse bisheriger Ergebnisse auf einem von uns ausgerichteten Minisymposium zum gendersensiblen Mathematikunterricht auf der GDM 2020
Aus vielen Untersuchungen ist hinlänglich bekannt, dass der sog. Gendergap insbesondere ab Beginn der Pubertät eintritt. Genau hier setzen wir mit den o.a. Maßnahmen an. Dies führt letztlich dazu, dass es (zu) wenige Frauen sowohl in MINT-Berufen als auch in MINT-Studiengängen zufinden sind. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe Mädchen für MINT-Fächer zu interessieren und hoffentlich sogar zu begeistern. Im erhofften Erfolgsfall würden wir mit unseren Maßnahmen zukunftsträchtige Entwicklungen wider den aktuellen Trend setzen.
Schülerprojekttage
Zur Förderung mathematisch begabter und interessierter Gymnasialschülerinnen und -schüler bietet der Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik an der Fakultät für Mathematik und Informatik der Universität Würzburg „Schülerprojekttage“ – eigentlich „Schülerinnen- und Schülerprojekttage“ an. Unter fachkundiger Anleitung von Dozentinnen und Dozenten des Instituts für Mathematik bearbeiteten Gruppen aus ca. 6-8 Schülerinnen und Schülern vier Tage lang mathematische Themenstellungen.
Die Organisation der Projekttage wurde dahingehend umstrukturiert, dass insbesondere auf die Bedürfnisse der Schülerinnen Rücksicht genommen wurde. In diesem Zuge wurde sowohl die Möglichkeit eröffnet, in einer Mädchengruppe zu arbeiten, als auch potenziell interessante Themen angeboten, die eine besondere Motivation für die Auseinandersetzung mit Mathematik seitens (begabter) Mädchen erwarten lassen. Eine besondere Herausforderung können dabei auch Virtual und Augmented Reality darstellen, da sich gerade hierdurch die Umwelt mit – auch ästhetisch schönen – Objekten anreichern lässt. Darüber hinaus interessiert aber auch die Frage, wie üblicherweise als typische
„Jungenstationen“ angesehene Themen – etwa aus der Physik und der Technik – so aufbereitet werden können, dass sie auch für Mädchen interessanter werden.
Darüber hinaus möchte man im Projekt potenziell interessierten Studierenden die Möglichkeit eröffnen, dazu entsprechende Seminar- und Zulassungsarbeiten zu verfassen, um damit den Bereich der gendersensiblen Forschung für den Mathematikunterricht weiter zu öffnen.
Mathematik-Labor
Mathematik wird in der Schule häufig als ein kalkülhaftes und wirklichkeitsfernes Fach erlebt, das in der täglich erlebten Welt der Schülerinnen nicht auftritt. Dabei steckt Mathematik in allen uns umgebenden Geräten, seien sie nun traditioneller Art, wie Fahrrad, Bagger, Hebebühne, Motor oder Scheibenwischer, oder seien sie den Digitalen Technologien zuzurechnen, wie Handy, GPS oder CD-Spieler. Die Mathematik hilft uns Naturphänomene zu verstehen: die Entstehung eines Regenbogens, die faszinierenden Formen von Seifenhäuten oder die Anordnung der Blätter verschiedener Pflanzen. Auch Vorgängen wie Wahlen, U-Bahnfahrten, Rundreisen oder Bewegungen an der Börse liegt Mathematik zugrunde.
Im Mathematiklabor sollen Schülerinnen durch einen selbsttätigen aktiv-experimentellen Umgang mit gegenständlichen und virtuellen Modellen einen Zugang zu den mathematischen Grundlagen verschiedener Phänomene aus Natur, Kultur und Technik erhalten.
Schülerinnen besuchen das Mathematik-Labor ab ca. 15 – 16 Jahren, um mathematische Kenntnisse aus dem Mittelstufenunterricht anwenden zu können. Sie sollen dabei einen Wirklichkeitsausschnitt durchdringen, indem sie in der Auseinandersetzung mit den Phänomenen neue inner- und außermathematische Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben. Künftig soll versucht werden, die Stationen im Mathematiklabor auch für ca. 14-jährige Mädchen zu öffnen.
Dieses Lehr-Lern-Labor ist aber auch ein zentraler Bestandteil in der Lehrerinnenprofessionalisierung, sodass hierfür auch Mathematik Studierende explizit gewonnen werden sollen, die ihre Motivationslage darlegen, warum sie sich für das Studium des Unterrichtsfachs Mathematik entschieden haben und welche Maßnahmen ihrerseits besonders hilfreich sein könnten, um die Begeisterung für die Mathematik zu steigern.
Minisymposium Gendersensibler MU auf der GDM 2020
Vom 09. bis 13. März 2020 fand an der Universität Würzburg die Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) statt. Diese Tagung ist die größte deutschsprachige Mathematik-Didaktik-Konferenz mit über 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Im Rahmen dieser Tagung ist es üblich sog. Minisymposien auszurichten. Hierfür wurde ein eigenes Minisymposium ausgerichtet, um das in der GDM schon intensiv diskutierte Thema Mathematikunterricht und Gender auf der Tagung prominent zu würdigen.
ICTMA-Tagung mit Lehrerfortbildung
Im September 2022 konnte die internationale Tagung zum Modellieren und Anwendungen im Mathematikunterricht in Würzburg seitens des Lehrstuhls für Mathematik V – Didaktik der Mathematik – online und virtuell – veranstaltet werden. Da die Planungssicherheit aufgrund der noch existenten pandemiebedingten Einschränkungen für eine Präsenztagungzu
unsicher war, wurde eine sehr umfassende virtuelle Tagung auf die Beine gestellt. Die über 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren alle ausnahmslos zufrieden. Es war auch das größte Teilnehmerfeld in den letzten 10 Jahren im Rahmen dieser Konferenzserie.
Das Projekt zur Steigerung des Interesses am Fach Mathematik von 11- bis 18-jährigen Mädchen wird seit 2019 bis 2023 von der Mapara Stiftung gefördert. Gefördert durch die Stiftung konnte am Lehrstuhl mit Forschung im MINT-Bereich begonnen werden, die es ermöglicht hat, ein zentrales Ergebnis herauszuarbeiten und als Open-Access-Publikation freizugeben. Hierbei handelt es sich um eine Meta-Studie, welche die Rolle der Mathematik im MINT-Unterricht beleuchtet. Zentral konnte dabei herausgearbeitet werden, dass die Mathematik oftmals nur auf kalküllastige Algorithmen im Kontext der Naturwissenschaften reduziert wird. Dies ist umso unerfreulicher, als Mathematik eine zentrale Rolle als Sprache der Naturwissenschaften einnimmt und jahrelange fachdidaktische Bemühungen versucht haben, dass Schubladendenken aufzubrechen. Dies ist aber offensichtlich noch nicht gelungen. Die gesamte Meta-Studie ist hier verfügbar.
Auch wurde der Austausch mit israelischen Kolleginnen in Haifa am Technion ermöglicht.